Ein möglichst papierloses Büro bietet viele Vorteile: Ich bin in der Lage, ortsunabhängig auch wichtige Angelegenheiten zu regeln, es ist platzsparender und praktischer, denn – zumindest gilt das für mich – ich kann leichter Ordnung halten. Zudem kann ich effizienter Wissen aufbewahren und teilen, was für mich als Konferenzdolmetscher ein nicht zu vernachlässigender Aspekt meines Berufs ist. Wie immer gilt es, sich selbst zu kennen, die eigenen Stärken und Schwächen zu akzeptieren und ein eigenes, funktionales System zu entwickeln. Mein persönlicher Weg dahin war und ist ein dynamischer Prozess.

Ich bin das Chaos

Zu Schulzeiten herrschte bei mir Zettelwirtschaft im Collegeblock. Voller Neid blickte ich auf die, die quasi schon nach dem Ende einer Stunde alles immer fein säuberlich in verschiedenen Ordnern abgeheftet hatten und deren Mitschriften dazu auch noch ordentlich und optisch ansprechend aussahen.

Im Studium hieß es dann auch noch die Übersicht über alle Kopien aus all den nicht ausleihbaren Büchern in kleinen Bereichsbibliotheken zu behalten. Für mich ein Graus. Irgendwas wurde immer irgendwo verlegt, nicht abgeheftet oder ging einfach durcheinander. Gleichzeitig gab es in meinem Studium aber auch schon Online-Lernplattformen und immer mehr digitalisierte Fachliteratur. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich es digital einfacher fand, eine Ordnerstruktur aufzubauen, in der ich Dinge wiederfinde und zudem keine Kopien durcheinanderbringen kann.

Das A und O der Ordnerstruktur

Bei meinem Start ins Berufsleben hat sich für mich die Frage also gar nicht mehr gestellt, ob sich mein Büro auf einer Festplatte (natürlich mit Backup-Festplatte) befinden soll oder in einem für mich unbeherrschbaren Papierwust. Das Wichtigste ist dabei eine funktionale Ordnerstruktur, die auf die eigene Aktivität abgestimmt sein sollte. In meinem Fall habe ich eine Ordnerstruktur aufgebaut, die zwischen „Bürokram“ und „Kunden“ unterscheidet.

Bereich Büro

Der Bereich „Büro“ hat mir am Anfang meiner Selbstständigkeit mehr Bauchschmerzen bereitet, weil ich, siehe Schulzeit und Studium, ja eher ein kleiner Chaot war, und Buchhaltung und Konsorten nach Pedanterie ohnegleichen schrien. Mit dem Mut, meine Vorbehalte zu überwinden, ein bisschen Disziplin, einer einfachen, chronologischen Ordnerstruktur und Excel-Datei zur Dokumentation, ist dieser Teil aber beherrschbar. Mein Dank gilt an dieser Stelle meiner Mentorin Sandra Uhlig aus dem Nachwuchsprogramm des VKD, von deren großem Wissen ich extrem profitiert habe.

Stellt sich nur die Gretchenfrage nach den Ausgabebelegen: digital oder in Papierform? Das Gros an Rechnungen bekomme ich per Mail, die paar Belege, die in Papierform existieren, müssen zwar natürlich auch im Original aufbewahrt werden, werden aber gescannt und bei den anderen abgelegt. Dadurch ist alles an einem Ort und die Struktur lässt sich für jedes Jahr übernehmen, ohne dass irgendwann die Übersichtlichkeit leidet. Natürlich lassen sich hier auch bekannte, zahlungspflichtige Buchhaltungstools nutzen. Ich fand diesen Schritt noch nicht notwendig, kenne aber Kolleg:innen, die mit einer solchen Lösung mehr als zufrieden sind.

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Bild von Pexels auf pixabay
Bereich „Kunden“

Anders verhält es sich mit dem großen Bereich „Kunden“. Nach knapp 2,5 Jahren im Beruf habe ich Informationen noch nach Kunden sortiert, mit denen ich bestimmte Themen in Verbindung bringe. Diese recht generische Sortierung lässt sowohl von Konferenzdolmetscher:innen als auch anderen Berufsgruppen anwenden, die projektbezogen arbeiten: ein großer Ordner pro Kunde und dann pro Projekt ein Unterordner, der sich je nach Komplexität weiter verästelt. Allerdings kann dieses System an seine Grenzen gelangen.

Wissensmanagement: digital …

In meinen Ordnern liegen bis jetzt oft Präsentationen zu den Veranstaltungen und entsprechende Glossare, die vor allem einfache Vokabellisten in Form von Excel-Tabellen sind, aber meist auch Erklärungen/Definitionen für die wichtigsten Begriffe enthalten.

Das kann natürlich irgendwann dazu führen, dass ich über mehrere Jahre hinweg zu einem wiederkehrenden Thema, verschiedene Einsätze bei unterschiedlichen Kunden hatte. Vielleicht erinnere ich mich irgendwann nicht mehr an jeden einzelnen der Aufträge, sodass bei meiner bisherigen Struktur die Gefahr besteht, dass entsprechendes Wissen und Vokabeln nicht abrufe und neu recherchiere – hinsichtlich ökonomischer Effizienz natürlich eine Katastrophe.

… und nachhaltig

Die Herausforderung besteht also vor allem darin, Wissen nachhaltig zu konservieren. Dabei steckt im digitalen Arbeiten viel Potenzial. Die einfache und schnelle Variante: Mein bisheriges System: „Bürokram“ und „Kunden“ um die weitere Ordnergruppe „Wissen“ zu erweitern, wo Glossare und fachspezifische Wissenseinträge nach Themen sortiert gebündelt werden; copy und paste machen es ohne großen Aufwand möglich.

Jetzt sind Listen natürlich optisch nicht sonderlich sexy und je nach Lerntyp für die Wissensaneignung und -speicherung auch nicht unbedingt förderlich. Ich brauche Informationen nicht unbedingt schön aufbereitet, aber bei zunehmender Themenvielfalt, kann sich der Mehraufwand langfristig lohnen. Deshalb ist eines meiner nächsten Vorhaben, Wissensmanagement-Tools oder Plattformen zu recherchieren, auf denen man ein eigenes Wiki anlegen kann. Diese bieten den Vorteil, dass Informationen in unterschiedlicher visueller Form, seien es Mindmaps, Diagramme, oder als Text aufbereitet und online gespeichert werden können, wodurch sie ortsungebunden abrufbar sind.

Dynamische Zusammenarbeit

Nicht irrelevant ist das Thema der digitalen Wissensaufbereitung und -management aber auch vor einem anderen Hintergrund: der kollegialen Zusammenarbeit. Für alle Leser:innen anderer Berufsgruppen ist das vielleicht verwunderlich. Ja, ich bin soloselbstständig, aber Dolmetschen ist Teamwork. In den meisten Fällen ist man zu zweit, bei Veranstaltungen mit mehreren Sprachen kann schnell ein großes Team entstehen.

Bei der Vorbereitung lohnt es sich, Synergien nutzen. Der Erfahrung nach ist das Endprodukt – die Verdolmetschung – dann deutlich besser. Online ist es relativ einfach, sich gemeinsam vorzubereiten. Das kann ein Google-Sheet für ein einfaches Glossar sein, aber auch eine detaillierte Wissenssammlung auf OneNote oder einer Plattform. Wichtig ist, dass es intuitiv funktioniert und eine übergeordnete, klare Strukturierung für alle Beteiligten erarbeitet wird.

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Bild von algedroid auf pixabay

Und was ist mit der Umwelt?

Erhöhte Effizienz im Büromanagement, erleichtertes Wissensmanagement und hohe Möglichkeit zur Kooperation sind für mich entscheidende Faktoren einer nachhaltigen Entwicklung meiner beruflichen Tätigkeit. Alle finden auch leicht irgendwo ihren Platz in den Dimensionen von Nachhaltigkeit, seien sie ökonomisch, sozial oder wissenschaftlich. Bleibt die Frage nach der ökologischen Nachhaltigkeit. Auf der einen Seite werden Ressourcen in der Herstellung von Papier, Druckern und Tinte geschont. Und wer nicht druckt, verbraucht zusätzlich dafür keinen Strom und muss sich bei Druckern und Tintenpatronen keine Gedanken um deren Entsorgung machen. Auf der anderen Seite verbrauchen aber auch Arbeitsgeräte wie Laptops und die Nutzung von digitalen Lösungen Ressourcen und Energie – und auch ein alter Laptop ist Elektroschrott. Die Rechnung ist nicht ganz unkompliziert, das Digitalisierungsunternehmen docuscan hat das mal ausführlicher recherchiert und ausgerechnet. Grundlegend herrscht nach meinen Recherchen aber Einigkeit, dass die Vorteile allein durch die Ressourceneinsparung beim Papier überwiegen. Bis auf Weiteres schließe ich mich da an.

Fazit

Das papierlose Büro ist für mich in jedem Falle sinnvoll und empfehlenswert. Ich konnte den Chaot in mir zähmen. In welchem Maße und wie das digitale Büro gestaltet wird, hängt natürlich von der jeweiligen Person ab. Die Vorteile hinsichtlich Platz- und Ressourcenverbrauch, Effizienz, Wissensmanagement und Zusammenarbeit überwiegen aber deutlich gegenüber einem papierintensiven Büro.

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Zum Autor

Jonas Lunte arbeitet seit 2020 als Konferenzdolmetscher für Französisch mit Sitz in Köln. Letztes Jahr hat er mit seinen Kolleginnen Indra Deckers und Dana Gatz den Zusammenschluss gemeinsam dolmetschen gegründet.

Mit gemeinsam dolmetschen setzt Jonas den Schwerpunkt auf gute und nachhaltige Zusammenarbeit mit Kunden sowie auf kollegialen Zusammenhalt zwischen Konferenzdolmetscher:innen. Dafür engagiert er sich auch als Mitglied im Vorstand des Verbands der Konferenzdolmetscher (VKD im BDÜ e.V.).

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