Ein Gastbeitrag von Michaela Haller (Sprachlicht)
Seit einiger Zeit versuche ich, mein Leben plastik- und müllfreier zu gestalten. In den eigenen vier Wänden klappt das dank verschiedener Maßnahmen bereits immer besser, u. a. mit einem Jutebeutel und Gemüsenetzen zum Einkaufen (am liebsten im Unverpackt-Laden), einem Getränkesprudler, selbstgemachten Reinigungsmitteln, festem Shampoo und Stückseife. Doch wenn ich abends vom Dolmetscheinsatz nach Hause komme, finde ich doch oft wieder haufenweise Müll in meiner Tasche.
Bea Johnson, die als die Gründerin der Zero-Waste-Bewegung gilt, hat den Grundsatz der 5R (refuse, reduce, reuse, recycle, rot) entwickelt, dessen Tauglichkeit ich hier für – insbesondere arbeits- oder auftragsbedingte – Reisen überprüfen möchte und anhand dessen ich Ihnen ein paar Tipps für ein müllreduziertes Leben unterwegs geben möchte.
Schritt 1: Refuse – auch mal was liegen lassen
Ich glaube, dass bei vielen Menschen der Verstand aussetzt, sobald sie etwas geschenkt bekommen: hier eine Shampoo-Probe, da ein Coffee to go und dort ein Schlüsselanhänger. Doch für jedes Werbegeschenk, das wir annehmen, jedes in Plastik verpackte Seifenstück, das wir auspacken und jeden Prospekt, den wir mitnehmen, wird wieder eins bzw. einer nachproduziert. Wir selbst kurbeln die Nachfrage an. Zu Hause und im Büro kann ich Anti-Werbungs-Aufkleber an den Briefkasten kleben und Kataloge abbestellen, die ich ohnehin nicht durchblättere. Wie sieht es unterwegs aus?
- Kosmetikproben: Es gehört zum Service von Hotels, seinen Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Shampoo vergessen? Kein Problem, ein kleines Fläschchen liegt bereit. Aber ganz ehrlich: Oft nehmen wir diese Proben auch mit, wenn wir eigentlich gut mit Shampoo und Bodylotion ausgestattet sind, oder? Mein Tipp: einfach mal liegen lassen.
- Werbegeschenke: Brauchen Sie diesen Schlüsselanhänger, den Tischkalender, den Kugelschreiber (okay, als Dolmetscherin nehme ich die auch immer gerne mit) oder Magneten wirklich? Ich persönlich habe mehr Schlüsselanhänger als Schlüssel, meine Termine trage ich in meinen elektronischen Kalender ein und Magneten braucht, wie ich finde, ohnehin kein Mensch.
Schritt 2: Reduce – von allem etwas weniger
Im Keller stehen Koffer in fünf verschiedenen Größen, von denen eigentlich nur zwei benutzt werden, und im Schuhschrank vier paar schwarze Pumps, obwohl wir uns in drei davon Blasen laufen? In unserer Überflussgesellschaft haben wir eigentlich von allem immer zu viel. Vielleicht ist die nächste Reise ja ein willkommener Anlass, darüber nachzudenken, was wir tatsächlich benötigen. Denn auf einmal merkt man, dass man auch zehn Tage mit dem Inhalt eines einzigen Koffers auskommt.
- Ausmisten: Meinen alten Reisekoffer – von Flugreisen verschmutzt, etwas aus der Mode gekommen und ohne Gummi auf den Rollen – habe ich vor einiger Zeit tatsächlich noch auf dem Flohmarkt verkauft. Der Käufer hat sich über das Schnäppchen gefreut und ich musste ihn nicht auf den Müll werfen. Win-win!
Schritt 3: Reuse – Mehrweg statt Einweg
Um dieses R zu beherzigen, ist es wichtig, die eigenen Gewohnheiten zu kennen und entsprechend zu handeln. Wir alle haben unsere Ticks und Rituale, die unserem Leben Struktur geben, auch wenn es mal stressig wird. Vielleicht gehören Sie ja zu den Menschen, die morgens auf dem Weg zur Arbeit oder zum Auftrag ganz einfach ihren Kaffee brauchen, um in die Gänge zu kommen. Möglicherweise essen Sie zum Frühstück am liebsten Müsli mit Joghurt oder Sie sind tatsächlich eine so vorbildliche Person, die täglich die zwei empfohlenen Liter Wasser trinkt. Statt Coffee-to-go-Becher beim Bäcker, Müsli im Plastikbecher vom Snack-Stand und einer großen Einweg-Plastikflasche stillen Wassers, können Sie mit nur kleinen Umstellungen Mehrweg-Alternativen zu diesen Einweg-Produkten finden:
- Kaffeebecher: Eigenen Kaffeebecher/Thermobecher statt Wegwerf-Becher benutzen. (Sie müssen den allerdings auch wirklich verwenden, sonst stimmt die Ökobilanz am Ende wieder nicht.)
- Wiederverwendbare Wasserflasche: Flaschen gibt es aus Edelstahl, Glas oder auch langlebigem Plastik. Inspiration gibt es hier. Wenigstens in Deutschland hat Leitungswasser eine sehr gute Qualität und in vielen Cafés und Geschäften können Sie Ihre Wasserflasche kostenfrei auffüllen. Hier gibt es eine Übersicht, wer mitmacht.
- Proviant mitnehmen: Nehmen Sie – mindestens für die Hinreise – Ihre eigene Verpflegung mit. Meine neueste Entdeckung: Ein am Vorabend zubereitetes Glas mit Overnight Oats ist nicht nur plastikarm und gesund, sondern auch ein köstliches Frühstück.
- Baumwollbeutel: Für das Brötchen unterwegs beim Bäcker bestens geeignet. Man muss aber schnell sein, sonst ist das Brötchen bereits in der Tüte.
- Handtücher im Hotel: Für die allermeisten vermutlich eine Selbstverständlichkeit, doch der Vollständigkeit halber soll es nicht unerwähnt bleiben. Verwenden Sie Ihre Handtücher im Hotel mehrfach. Wir alle kennen die Aufkleber im Hotelbadezimmer mit den abschreckenden Zahlen hinsichtlich des Wasser- und Waschmittelverbrauchs. Wenn wir unsere Handtücher nach nur einer Benutzung austauschen lassen, tragen wir unnötig zur Ressourcenverschwendung bei. Denn mal Hand aufs Herz: Wer wechselt zuhause schon täglich seine Handtücher?
Schritt 4: Recycle – im Mülltrennen sind wir Meister
Der Müll, der jetzt noch übrigbleibt, sollte recycelt werden, also dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden. Solange wir uns in Deutschland befinden und beispielsweise mit dem Zug unterwegs sind, ist dies in der Regel kein Problem, schließlich steht eigentlich an jedem Bahnhof und jedem Bahnsteig ein Mülleimer mit verschiedenen Fächern. Nutzen wir sie, auch wenn es bedeutet, dass wir ein paar Schritte weiter gehen müssen.
Schritt 5: Rot – und der Rest soll verrotten
Bei diesem R bin ich auch mit meinem Latein am Ende. Der Kompost oder die Biotonne für unterwegs ist meines Wissens noch nicht erfunden worden. Auch #zerowaste stößt irgendwann an seine Grenzen!
Und weiter?
Hat man einmal angefangen, sich über Müll- und Plastikvermeidung sowie nachhaltiges Leben und Reisen Gedanken zu machen, wird man mit immer mehr Dilemmata konfrontiert: Bringt der Verzicht auf den Wegwerfbecher überhaupt etwas, wenn ich dann doch mit meinem Thermobecher im Gepäck ins nächste Flugzeug statt in den Zug steige? Beim Bäcker wurde mir auch schon großzügig angeboten, das in Plastik verpackte, geschnittene Brot in meinen Baumwollbeutel umzupacken und der Kaffee zum Hiertrinken landete neulich doch im Coffee-to-go-Becher, weil gerade keine sauberen Tassen da waren. Der Weg vor uns ist noch weit. Und die Zeit leider knapp.
Haben Sie noch weitere Ideen zur Müll- und Verpackungsvermeidung unterwegs und auf Reisen? Dann freuen sich Caterina und ich uns auf Ihre Kommentare!
Zur Autorin:
Michaela Haller ist freiberufliche Konferenzdolmetscherin M.A. und Übersetzerin B.A. für Englisch mit Sitz in Karlsruhe. 2006 kam die gebürtige Hamburgerin zum Studium des Übersetzens und Dolmetschens in das pfälzische Germersheim an den Fachbereich für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) – und blieb anschließend im Südwesten. Seit 2013 ist sie mit ihrem Unternehmen Sprachlicht (www.sprachlicht.com) als Dolmetscherin bei Konferenzen, Tagungen, Verhandlungen u. v. m. tätig und übersetzt Texte aus dem Englischen, schwerpunktmäßig in den Gebieten IT, Technik, Medizintechnik und PR. Ihre Freizeit verbringt sie gerne damit, Wege zu finden, Gekauftes durch Selbstgemachtes zu ersetzen, sei es Kosmetik, Knäckebrot oder Knuspermüsli.
Toller Artikel! Vielen Dank! Ich versuche auch immer mehr den Plastikkonsum zu reduzieren, es ist aber gar nicht so einfach.
Danke für das positive Feedback, liebe Florence!
Ja, es ist für mich nach wie vor nicht so einfach. Mein Lieblingsspruch zu Zero Waste: „We don’t need a handful of people doing zero waste perfectly. We need millions of people doing it imperfectly.“