Unsere Gesellschaft möchte nachhaltiger werden. Sie hat sich aber auch dafür entschieden, die KI-Technologie zu nutzen und auszubauen. Passt beides zusammen?
In der sich schnell entwickelnden Welt der Technologie ist die Nachhaltigkeit von Systemen der künstlichen Intelligenz (KI) eine wichtige Frage. Diese Systeme versprechen, alles vom Energiemanagement bis zur Medizindiagnostik zu revolutionieren. Doch während wir uns die Vorteile dieser fortschrittlichen Technologie zunutze machen, müssen wir uns auch Gedanken über ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt machen.
Zunächst einmal dürfen wir nicht vergessen, dass sich unsere Gesellschaft aktiv für die KI-Technologie entschieden hat. Es stellen sich nun Fragen der Ethik und der nachhaltigen Entwicklung im Zusammenhang mit Systemen der künstlichen Intelligenz. Wie wirkt sich das Training von KI-Algorithmen auf unsere Umwelt aus und wie hoch sind die finanziellen und ökologischen Kosten? Was müssen wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI berücksichtigen?
KI eine Entscheidung der Gesellschaft
Unsere Gesellschaft hat die Entscheidung getroffen, die KI-Technologie zu nutzen. Künstliche Intelligenz ist kein Naturphänomen, sondern eine Technologie, die von Menschen bewusst entwickelt und eingesetzt wird. Daher können wir diese Technologie weiterentwickeln und einsetzen, müssen es aber nicht. Wir sollten daher sorgfältig auswählen und entscheiden, dass KI-Systeme so eingesetzt werden, dass die Werte unserer Gesellschaft, z. B. Privatsphäre, Würde, Fairness, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, geschützt werden. Eine künstliche Intelligenz, die unsere Gesellschaft voranbringen soll, darf nicht dazu führen, dass wir unsere Werte der Technik opfern.
KI-Ethik
Aus diesem Gedanken heraus ist eine ethische Betrachtungsweise der KI-Technologie entstanden. Doch die KI entwickelt sich ständig weiter und so hat sich mit der Technik auch der Schwerpunkt der ethischen Herangehensweise weiterentwickelt.
Anfangs fragte sich die KI-Ethik, was eine künstliche Intelligenz tun könnte. Dies führte zu phantasievollen Szenarien von Roboteraufständen.
Dann befasste sich die KI-Ethik mit den praktischen Problemen des maschinellen Lernens: dem Black-Box-Algorithmus und dem Problem der Erklärbarkeit sowie der Zunahme von Gesichtserkennungssystemen, die die Rechte der Bürger verletzen.
Nun wird es nötig sein, sich mit den ökologischen Folgen der KI-Technologie auseinanderzusetzen. Die neue KI-Ethik bemüht sich jetzt, Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, KI-Entwickler und die breite Öffentlichkeit für die Nachhaltigkeit und die Umweltauswirkungen von KI zu sensibilisieren.
Die KI-Ethik unterscheidet dabei zwei Bereiche: den Bereich der Nachhaltigkeit mit Hilfe von KI und dann den Bereich der Nachhaltigkeit von KI.
Der Bereich – Nachhaltigkeit mit Hilfe von KI – ist mit der bekannten Non-Profit-Organisation „AI4Good“ schon etwas weiterentwickelt. Hier geht es darum, KI-Anwendungen und maschinelles Lernen zu nutzen, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen.
Der Bereich – Nachhaltigkeit von KI – ist noch recht jung und bedarf noch genauer Untersuchungen.
Was ist nachhaltige KI?
Was bedeutet in diesem Zusammenhang nachhaltige künstliche Intelligenz? Einerseits fällt der Bereich Nachhaltigkeit mit Hilfe von künstlicher Intelligenz unter dieses Thema, andererseits muss der Bereich der Nachhaltigkeit von künstlicher Intelligenz selber diskutiert werden. Hier geht es darum, wie künstliche Intelligenz entwickelt werden kann, damit die Umweltressourcen für uns und spätere Generationen erhalten bleiben und dabei gleichzeitig mit den Wirtschaftsmodellen für Gesellschaften und mit sozialen Werten, die für eine bestimmte Gesellschaft grundlegend sind, vereinbar ist.
Eine nachhaltige KI unterstützt die Umweltverträglichkeit und die soziale Verträglichkeit der KI-Produkte während des gesamten Lebenszyklus einer KI-Technologie. Sie konzentriert sich auf das gesamte sozio-technische System der KI-Technologie und nicht nur auf die KI-Anwendungen.
Umweltauswirkungen des KI-Trainings
Die Umweltauswirkungen des KI-Trainings (und der Feineinstellung) sind das Herzstück der KI-Nachhaltigkeit. Einer wissenschaftlichen Studie zufolge, verursacht das Training eines einzigen Deep-Learning-Modells für die Verarbeitung natürlicher Sprache etwa 626 000 Pfund (284 000 Kilogramm) Kohlendioxidemissionen. Dies entspricht ungefähr dem Kohlendioxidausstoß von fünf Autos während ihrer gesamten Lebensdauer, oder dem Kohlendioxidausstoß von durchschnittlich 57 Menschen während eines Jahres.
Andere Studien haben gezeigt, dass die Erforschung von AlphaGo Zero von Google in 40 Tagen Training rund 96 Tonnen CO2 erzeugt hat, was 1000 Flugstunden oder dem CO2-Fußabdruck von 23 amerikanischen Haushalten entspricht.
Für ein einmaliges, vollständiges GPT-3-Training errechneten Wissenschaftler eine CO₂-Belastung von 552 Tonnen CO2-Äquivalent.
Für die Herstellung, Nutzung bis zur Entsorgung eines Macbook Pro mit 14 Zoll werden 271 Kilogramm CO₂-Äquivalent ausgestoßen. Ein Fluggast von New York nach San Francisco und zurück je nach Airline verbraucht zwischen 500 Kilogramm und einer Tonne CO2. Die Durchschnittsemissionen aller 2022 in Deutschland angemeldeten Pkw betrugen bei 10.000 Kilometer Fahrleistung pro Jahr und Fahrzeug etwa 1,1 Tonnen.
Somit verursacht das Training der KI-Algorithmen nicht nur finanzielle, sondern auch ökologische Kosten. Die finanziellen Kosten entstehen durch die Hardware und den Stromverbrauch bzw. die Rechenzeit in der Cloud. Die ökologischen Kosten werden als CO2-Fußabdruck berechnet. Zwar ist es möglich, einen Teil der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren oder durch Kohlenstoffgutschriften zu kompensieren. Doch dies geschieht derzeit nur an sehr wenigen Orten. Außerdem stehen erneuerbare Energien leider nicht konstant und zuverlässig in großen Mengen zur Verfügung.
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI
Wenn wir uns mit der KI-Technologie beschäftigen, müssen wir unbedingt ihre Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI-Technologie spielen drei wichtige Gedanken eine Rolle.
Zunächst einmal wissen wir noch nicht sehr viel über diese Technologie. Bisher können wir den Einsatz der künstlichen Intelligenz als eine Art soziales Experiment an der Gesellschaft betrachten, bei dem wir noch viel lernen müssen.
Darüber hinaus brauchen wir Expertengruppen für die KI-Technologie in den Regierungen. Diese sollten sich aktiv mit Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen vernetzen und diese veranlassen, über die CO2-Emissionen zu berichten, die durch das Training und die Optimierung von KI-Systemen entstehen. Zusätzlich sollten kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden, die sich aktiv für nachhaltige KI-Konzepte einsetzen.
Außerdem sollte z.B. die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Regulierungsoptionen für KI, einen „Rahmen der Verhältnismäßigkeit“ schaffen, um zu bewerten, ob das Training oder die Feineinstellung eines KI-Modells für eine bestimmte Aufgabe in einem angemessenen Verhältnis zum CO2-Fußabdruck und den allgemeinen Umweltauswirkungen steht.
Schließlich könnten die Anwender von KI-Systemen sich fragen, ob es angesichts der Tatsache, dass es etwa 600 Millionen Menschen auf der Welt gibt, die keinen Zugang zu moderner Elektrizität haben, es sinnvoll ist, KI-Modelle zu trainieren, die den Weltmeister im Go-Spiel (AlphaGo) schlagen können, anstatt diese Haushalte mit Elektrizität zu versorgen.
Über die Autorin
Mein Name ist Barbara Hardy und ich bin staatlich geprüfte Übersetzerin mit journalistischer Ausbildung und einem Diplom in Biologie. Jetzt arbeite ich als freie Autorin in Oberhausen und befasse mich mit Themen rund um künstliche Intelligenz.
Mit meinen Beiträgen möchte ich zeigen, was sich genau hinter dieser Technologie verbirgt, welche Vorteile sie mit sich bringt und welche Risiken wir im Auge behalten müssen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der historische Kontext. Aus diesem Grund arbeite ich gerade an einem Buch, in dem ich die Entwicklung der KI nachzeichnen werde. Es wird dabei nicht nur um die technischen Errungenschaften gehen, sondern vor allem um die Wissenschaftler, die den Maschinen das Denken beibringen wollten.
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