Beim Klima nichts Neues

Dass die aktuellen klimatischen Veränderungen, deren Auswirkungen wir in immer extremerer Form in den letzten Jahren auch in den gemäßigten Klimazonen zu spüren bekommen, auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sind und verheerende Konsequenzen haben werden, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Bereits 1971 warnte der Meteorologe Herrman Flohn vor den irreversiblen Folgen des anthropogenen Klimawandels (1).

Nachdem Treibhausgase, allen voran CO2, als einer der entscheidenden Faktoren dabei erkannt wurden, gab es immer mehr Versuche, die CO2-Emmissionen, die wir durch unsere tagtäglichen Aktivitäten verursachen, zu reduzieren. Da sich die Lage dennoch immer weiter zuspitzte, rief im November 2019 das Europäische Parlament den Klimanotstand aus (2). Im Dezember desselben Jahres stellte die Europäische Kommission den Europäischen Grünen Deal vor (3).

Zurück auf Anfang

Kurz darauf trat die nächste Katastrophe ein: Die Corona-Pandemie hielt die Welt fest in ihrem Griff. Und es schien, als seien alle Sorgen um den Klimawandel erstmal vergessen. Hygiene stand im Vordergrund und somit gab es wieder mehr Einwegprodukte. Klimaschädliche Heizpilze werden im Winter 2020 immer beliebter, damit Menschen auch bei Kälte und strengen Kontaktauflagen Restaurants besuchen können.

Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass Klimaschutzmaßnahmen in dieser Ausnahmesituation erstmal in den Hintergrund gerückt wurden. Alles in allem zeigte der vorübergehende globale Stillstand jedoch auch, was diese Art der Entschleunigung für das Klima bedeuten kann: Die Emissionen aus dem Verkehrssektor gingen während der Lockdownperioden enorm zurück und lagen zeitweise sogar unter dem Wert von 1990 (4, 5).

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Foto: Spa Camp Focus Day 2021 auf Zoom

Wir erinnern uns, wie von einem auf den anderen Tag alles anders wurde. „Homeoffice“ und „Zoom-Meeting“ waren die Wörter, die wahrscheinlich neben „Inzidenz“ und „systemrelevant“ am häufigsten verwendet wurden. Seit dem ersten Lockdown sind inzwischen über viereinhalb Jahre vergangen. Für die meisten von uns ist wieder Normalität eingekehrt und das Leben geht ohne Einschränkungen weiter. Nach dieser Erfahrung haben wir gelernt, den persönlichen Kontakt, der früher so selbstverständlich für uns war, zu schätzen. Doch eines ist – und das spüren nicht nur wir Dolmetscher:innen – nichtsdestotrotz geblieben: Videokonferenzen.

Das ist doch nicht von gestern

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Quelle: Pexels

Dabei ist die Technik der Videokonferenz nicht neu. Die ersten Ansätze für ein Ferngespräch mit Video- und Audioübertragung gab es bereits in den 1920er Jahren. Einen Auftrieb erfuhr die Technologie aber erst mit der Erfindung des Internets und der Verbreitung von Computern.

Skype, das jahrelang Marktführer im Bereich internetbasierter Videotelefonie war, wurde 2003 gegründet und wurde schnell zum Synonym für Onlinekonferenzen. Das Verb „skypen“ findet sich sogar im Duden (6). Der Konkurrent Zoom, auf den das vieldeutige Verb „zoomen“ zurückgeht und welches noch keinen Eintrag im deutschen Wörterbuch gefunden hat, kommt 2011 auf den Markt.

Es ist naheliegend, dass auch Konferenzdolmetscher:innen bei onlinebasierten Meetings eingebunden werden. Dadurch können auch internationale Meetings, die oft mit weiten Anreisewegen verbunden sind, in die digitale Dimension übertragen werden und zur Einsparung von CO2 beitragen.

Bereits in den frühen 2000ern veröffentlichte die AIIC dazu ein Positionspapier und äußerte sich kritisch dieser Praktik gegenüber (7). Diese Vorbehalte sind und bleiben auch mit jedem technologischen Fortschritt, mit dem auch neue Herausforderungen einhergehen, aktuell. Diese Herausforderungen, wie zum Beispiel die Risiken für die Hörgesundheit der Dolmetscher:innen, förderte nicht zuletzt die Pandemie zutage (8). Die Zwänge der Pandemie stellten somit einen Turboantrieb in der Entwicklung des Remote Simultaneous Interpreting (RSI) dar und die folgenden Jahren werden uns zeigen, wohin der Weg noch führt.

Es ist nicht alles Gold, das glänzt

Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein und den Erfahrungen aus der Pandemie lässt sich also der Schluss ziehen: Durch den Wegfall von Anreise oder Pendelwegen stellen Videokonferenzen eine grüne und nachhaltige Möglichkeit dar, Meetings abzuhalten. Stimmt das? Als Laien nehmen wir das Internet oft als eine unsichtbare Kraft wahr, durch die Informationen übertragen werden. Daten werden in der Cloud gespeichert – einer Wolke, die wie ein Hauch von Nichts über unseren Köpfen schwebt?

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Bildquelle: Pixabay

Dass das Internet alles andere als unsichtbar und körperlos ist, zeigt ein Blick in die großen Rechenzentren, die die digitale Welt am Laufen halten. Und wer da einmal reingeschaut hat, merkt, dass für deren Betrieb enorme Energieressourcen aufgewendet werden müssen. Wäre das Internet ein Land, läge es im weltweiten Vergleich beim CO2-Ausstoß auf Platz 6 (9). Allein in Deutschland verbrauchen Netze und Rechenzentren 13 TWh im Jahr (9). Schon vor der Pandemie im Jahr 2019 machte die IT- und Telekommunikationsindustrie 2,8 % der weltweiten fossilen Treibhausgasemissionen aus. Im Vergleich dazu lag der Flugverkehr bei 1,7 % (10).

CO2-Bilanz von Online-Meetings

Wer den ökologischen Fußabdruck einer Videokonferenz ermitteln möchte, muss viele Faktoren berücksichtigen. Manche davon lassen sich eindeutig zuordnen, andere wiederum sind variabel und deren genaues Ausmaß lassen sich nur schwer schätzen. Denn neben den oben genannten Rechenzentren verbrauchen auch die Endgeräte der Teilnehmenden Ressourcen – nicht nur bei der unmittelbaren Nutzung, sondern schon bei der Herstellung. Auch spielt die Art der Datenübertragung eine Rolle. Glasfaser ist dem Kupferkabel oder der Übertragung über das mobile Netz zu bevorzugen (11). Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich auch die Anzahl der Teilnehmenden. Laut einer Studie des Öko-Instituts (07/2020) fallen pro zugeschaltetes Endgerät durchschnittlich 183 g CO2 pro Stunde im Online-Meeting an (12). Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Auto mit Benzinmotor verbraucht 157 g CO2 pro gefahrenen Kilometer (13).

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Der Umstieg auf ein virtuelles Meeting lohnt sich ab einem Anfahrtsweg von fünf Kilometern, so die Ergebnisse einer Studie des Verkehrsclubs Deutschland (14).

Anders sieht es hingegen im Hochschulkontext aus, wie eine Beispielrechnung an einer britischen Universität zeigte. Die Emissionen, die der Fernunterricht produzierte, glichen fast denen, die durch die Instandhaltung der Gebäude und der Pendelwege des Lehrpersonals und der Studierenden zum Campus entstanden. Von Hybridunterricht wird demnach abgeraten (15).

Wo viel ist, kann auch viel gespart werden

Diese Zahlen zeigen also, dass Online-Meetings einem Präsenztreffen klimatechnisch einiges voraushaben. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die die Teilnehmenden einer Videokonferenz berücksichtigen sollten, um ihren ökologischen Fußabdruck weiter zu minimieren.

  • Video ausschalten: Wer nicht aktiv am Gespräch beteiligt ist, sollte seine Kamera ausschalten (16).
  • Videoqualität: Anstelle von HD reicht auch die Standard-Qualität, um weitere Emissionen einzusparen (16).
  • LAN: Wer eine Kabelgebundene Internetverbindung nutzt, reduziert seinen CO2-Ausstoß im Vergleich zur Datenübertragen im mobilen Netz um ein Vielfaches (16).
  • Endgerät: Ein Laptop verbraucht mit durchschnittlich 20-100 Watt um einiges weniger Strom als ein Desktop-PC mit 150-400 Watt (14).
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Ein Allheilmittel stellen Online-Meetings also nicht dar, es gibt jedoch Situationen, in denen eine virtuelle Konferenz einem persönlichen Treffen aus klimaschonender Sicht zu bevorzugen wäre. Wer eine Tagung mit Dolmetscher:innen plant, lässt sich am besten bei einem/einer erfahrenen Konferenzdolmetscher:in beraten, um gemeinsam zu erörtern, welche Art der Ausrichtung für die konkrete Veranstaltung am geeignetsten ist und welche Punkte dabei neben dem Umweltschutzaspekt berücksichtigt werden müssen.

Über die Autorin

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Laura Bischoff ist als freiberufliche Konferenzdolmetscherin für Deutsch und Englisch in Aachen tätig. Nach ihrem M.A.-Studium an der TH Köln arbeitete sie in der Terminologieabteilung der Generaldirektion Dolmetschen der Europäischen Kommission. Auch heute ist sie noch oft bei Dolmetschaufträgen in Brüssel, einem Katzensprung von Aachen entfernt, im Einsatz.

Quellen

(1) https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/klimawandel/klimawandel-klimaforschung-geschichte-historisch-100.html

(2) https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-klimanotstand-parlament-beschluss-1.4701180

(3) https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de

(4) https://www.umweltbundesamt.at/news220408

(5) https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#verkehr-belastet-luft-und-klima-minderungsziele-der-bundesregierung

(6) https://www.absatzwirtschaft.de/warum-heisst-die-marke-so-heute-skype-239010/

(7) https://www.researchgate.net/publication/280305163_Remote_Interpreting

(8) https://slator.com/canadas-translation-bureau-ordered-again-to-address-interpreter-hearing-injuries/

(9) https://de.statista.com/infografik/26873/co2-vergleich-dsl-und-glasfasernetz/

(10) https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/internet-oekobilanz-klima-energie-100.html

(11) https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/video-streaming-art-der-datenuebertragung

(12) https://energiekonsens.de/unternehmen/emissionsrechner

(13) https://www.umweltbundesamt.de/themen/klimaschutz-geht-auch-benzinern-diesel

(14) https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/videokonferenzen-erzeugen-hohe-co2-emissionen-3507

(15) https://klima-kollekte.de/fileadmin/user_upload/Videokonferenzen_CO2_Bilanz.pdf

(16) https://energiekonsens.de/unternehmen/emissionsrechner

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