Nicht alle wissen, dass ich Mitglied von COOP bin, der Cooperativa di Consumatori, einer Konsumgenossenschaft und eines der führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Italien. In ihren Supermärkten bietet die COOP Produkte unter ihrer Eigenmarke an, die ihre Grundwerte widerspiegeln.
In diesem Jahr feierte die Genossenschaft das 70-jährige Bestehen ihrer Marke und nutzte diese Gelegenheit dazu, Bilanz zu ziehen und die Geschichte ihrer Produkte Revue passieren zu lassen. In der Mitglieder-Zeitschrift erzählt das Unternehmen die Geschichte der COOP-Produkte und wie sie sich seit der Nachkriegszeit immer weiter entwickelt haben, um den Bedürfnissen der italienischen Verbraucher gerecht zu werden, die zwar den genossenschaftlichen Grundwerten treu bleiben, sie aber immer wieder neu interpretieren.
Hier sind einige der Erkenntnisse, die COOP in der Vergangenheit gewonnen hat und die ich meinen Lesern heute gerne vorstellen möchte, da ich der Meinung bin, dass die historische Entwicklung der Eigenmarke und die Antworten, die das Unternehmen auf die Herausforderungen gefunden hat, auch für ausländische Unternehmen interessant sein können, die Konsumgüter herstellen und bereits in Italien tätig sind oder das Land als potenziellen Absatzmarkt betrachten. Und vielleicht kann dieser Artikel auch den großen deutschen Supermarktketten in Deutschland nützlich sein, die ich im Rahmen meiner Arbeit als Konferenzdolmetscherin bereits in anderer Weise unterstützen durfte.
Zunächst jedoch muss eines grundsätzlich festgehalten werden: [ctt template=“4″ link=“68YKR“ via=“yes“ ]Die Italiener geben für Lebensmittel mehr aus als die Verbraucher anderer Länder[/ctt] – eine Tatsache, die man immer im Hinterkopf behalten sollte, wenn man sich mit dem italienischen Markt beschäftigt. Laut den Daten des italienischen Statistikamtes ISTAT für 2017 beträgt der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel in ganz Italien 17,7%, wobei im Süden mehr, nämlich 22,5% für Essen und Trinken ausgegeben wird. Zum Vergleich: Die Deutschen geben nur 10% ihres Gehalts* für Lebensmittel aus.
Die italienischen Verbraucher sind auch anspruchsvoller bei der Qualität der Produkte, was sich in ihrer Kaufentscheidung widerspiegelt. Schauen wir uns nun an, wie sich die Bedürfnisse der italienischen Käuferinnen und Käufer im Laufe der Zeit gewandelt haben und welche Antworten ein so wichtiger Akteur des Lebensmitteleinzelhandels in Italien wie die COOP auf diese Entwicklungen gefunden hat.
1. Das Bedürfnis nach mehr Transparenz
Die zahlreichen skandalträchtigen Betrugs- und Täuschungsfälle bei Lebensmitteln in den vergangenen Jahren haben dafür gesorgt, dass die Italiener die Produkte, die sie kaufen, kritischer betrachten. Bevor sie sich für ein Produkt entscheiden, möchten die italienischen Verbraucher heutzutage wissen, welche Rohstoffe zu seiner Herstellung verwendet wurden, woher diese stammen und welche Inhaltsstoffe und Nährwerte darin enthalten sind.Die Antwort von COOP: Das Kontrollsystem für die gesamte Lieferkette wurde gestärkt und die Rückverfolgbarkeit der Produkte verbessert, zunehmend „transparente“ Etiketten wurden eingeführt, die es den Verbrauchern ermöglichen, den Herstellungsprozess zu rekonstruieren.
2. „Frei von …“ lebt es sich besser – der Gesundheitstrend
Heute reicht es nicht mehr, dass ein Produkt sicher ist, sondern es muss auch ernährungsphysiologisch ausgewogen sein. Die italienischen Verbraucher greifen aus gesundheitlichen Gründen oder im Rahmen einer Ernährungsumstellung mehr und mehr auf „Frei von“-Produkte zurück, d.h. Produkte, die auf bestimmte Inhaltsstoffe wie Gluten, Zuckerzusatz, Palmöl usw. verzichten.
Die Antwort von COOP: Schon in den 80er Jahren wurde der Einsatz von Farbstoffen verboten und den in den Produkten verwendeten Fetten wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt, indem der Fettanteil auf den Etiketten deutlich gekennzeichnet wurde. Darüber hinaus wurde eine „gesunde“ Produktlinie entwickelt … natürlich „frei von …“.
3. Der Trend zum Gourmet-Kochen als Hobby
Dank der zahlreichen Kochsendungen, die in Italien die Fernsehprogramme seit Jahren dominieren, haben die Italienerinnen und Italiener Lust bekommen, den Kochlöffel selbst in die Hand zu nehmen. Im Gegensatz zu unseren Müttern und Großmüttern ist das Leben von uns Millennials viel frenetischer, wir haben weniger Zeit am Herd zu stehen und – seien wir mal ehrlich – wir sind auch weniger begabt in der Küche. Wie soll man da die zufrieden stellen, die sich zwar gerne in die Küche wagen wollen, aber immer in Eile und vielleicht auch etwas ungeschickter sind und trotz all dem auf die Linie und die Gesundheit achten?Die Antwort von COOP: Eine Produktserie von Backmischungen, Zubereitungen, Mehlen und Hefen ohne Verdickungsmittel, Farbstoffe, Süßstoffe und Gentechnik, mit denen man mit nur wenigen Zutaten süße und herzhafte Rezepte nachkochen kann, die sonst lange Zubereitungszeiten erfordern.
4. Die grüne Trendwende
Nach dem gerade zu Ende gegangenen heißen Sommer sind der Klimawandel und die Auswirkungen von Plastik auf unsere Umwelt heute für alle nicht zu übersehen und die italienischen Verbraucher sind mittlerweile zunehmend darauf bedacht, ihren Teil zum Umweltschutz beizutragen: 76% trennen ihren Müll, 57% haben ihren Energieverbrauch gesenkt und 58% betrachten die Green Economy als treibende Kraft für die wirtschaftliche Entwicklung Italiens. Bei den Ausgaben für Lebensmittel schlägt sich der Trend zur Nachhaltigkeit darin nieder, dass vor allem eher Lebensmittel mit einem kleineren ökologischen Fußabdruck in den Warenkorb wandern, oft aus biologischem Landbau.
Die Antwort von COOP: Es werden ökologisch nachhaltige Rohstoffe und Produktionsmittel mit geringem Ressourcenverbrauch ausgewählt, wobei die Sensibilisierung der Lieferanten auch eine wichtige Rolle spielt. Zudem wurde eine Linie von Bio-Lebensmitteln und -Körperpflegeprodukten eingeführt, die umweltfreundlich ist und auf unnötige Verpackung verzichtet.
Zum Wachstum von Bio-Produkten in Italien siehe: Der Bio-Boom in Italien
(Die Aufmerksamkeit, die Klima und Nachhaltigkeit gewidmet wird, kann jedoch manchmal zu Entscheidungen führen, die nicht mehr wirklich rational sind, wie es zum Beispiel bei der Dämonisierung von Palmöl durch die italienischen Verbraucher der Fall ist. Ich habe letztes Jahr auf der SANA mit einigen deutschen Ausstellern darüber gesprochen: In Italien werden keine Kekse mehr verkauft, auf deren Verpackung nicht „frei von Palmöl“ steht, da dieses den Ruf hat, der Umwelt zu schaden. Im NaturkosmetikCamp haben wir dieses Öl jedoch mit anderen weniger „verdächtigen“ Lebensmitteln verglichen, deren Nachhaltigkeitsbilanz schlechter abschneidet.)
Siehe auch: Farbe bekennen, nachhaltig tagen – Das NaturkosmetikCamp 2018 in Brandenburg
5. Tierschutz
Ein weiteres Thema, bei dem die italienischen Verbraucher sensibler geworden sind, ist der Tierschutz. Nach Angaben des italienischen Sozialforschungsinstituts Eurispes ist der Anteil der Vegetarier in Italien bis Anfang 2018 auf 7,1% gestiegen. Aber auch Endverbraucher, die nicht auf Fleisch verzichten wollen, suchen nach gesunden Produkten, bei denen auf Tierschutz Wert gelegt wird.
Die Antwort von COOP: Um der Gefahr der Antibiotikaresistenz entgegenzuwirken und die Bedingungen in der Tierhaltung zu verbessern, werden Antibiotika in der Herstellungskette für Lebensmittel stufenweise eliminiert, zudem wird das Engagement beim nachhaltigen Fischfang verstärkt.
6. Der regionale Trend
Die Italiener fühlen sich seit jeher stark ihren lokalen Traditionen verbunden. In den vergangenen Jahren fand dies Ausdruck in dem weit verbreitetet Slogan „prodotto a km 0“, der zum Qualitätsmerkmal für regionale Spitzenprodukte geworden ist, die quasi „vor der Haustür“ hergestellt werden.
Die Antwort von COOP: Die Initiative „Sapori, si parte“ (in etwa: „Auf zum Geschmack“), die Spezialitäten aus jeweils einer Region bewirbt; zudem wurde die Linie „Sapori e dintorni“ („Spezialitäten und Regionen“) erweitert.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf die Worte von Renata Pascarelli, verantwortlich für die Qualität bei COOP Italia, verweisen, die sagt: „Wenn Transparenz ein Grundwert ist, wäre es falsch zu glauben, dass die Tatsache, dass ein Rohstoff aus Italien kommt, immer und auf jeden Fall eine Garantie für eine bessere Qualität ist [….]. Außerdem ist Italien bei vielen Produkten, wie z.B. bei Milch, auf Importe angewiesen.“
Die Tür bleibt für alle offen, die nach Italien exportieren wollen, solange sie unsere Werte respektieren.
Gerne stehe ich euch für weiterführende Informationen zum Thema zur Verfügung. Ich freue mich auf Post an dialog@saccani-translations.com
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