Wer meinen Newsletter abonniert, hat es schon gehört: 2021 fiel der Startschuss für die Kooperation mit einer meiner langjährigen Freundinnen. Gemeinsam arbeiten wir daran, unsere Kunden aus dem Bereich Kosmetik und Haarpflege beim Ausbau ihres Geschäfts speziell in Italien zu unterstützen.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich euch die großartige Angela „Angy“ Haisha Adamou vorstellen soll. Und so kam mir die Idee, sie zu einer Frage zu interviewen, auf die sie als eine der ganz wenigen Antworten hat: Diversity und Ethno-Marketing in der Kosmetik.

Herausgekommen ist ein sehr aufschlussreiches Gespräch über die Macht der Selbstbezeichnung, den Stolz auf die natürliche Haarpracht und darüber, wie Pflege für Afrohaare inklusiv und divers vermarktet werden kann.

Caterina: Beginnen wir mit einer persönlichen Frage: Wie definierst du dich selbst? Siehst du dich als Italo-Afrikanerin oder als Italienerin mit afrikanischen Wurzeln? Oder gibt es eine andere Bezeichnung, die mehr zu dir passt?

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NaturAngi: Schon seit einiger Zeit läuft eine lebhafte Debatte darüber, wie Schwarze Italienerinnen und Italiener sich selbst am besten bezeichnen und im Moment scheint es noch keinen Begriff zu geben, auf den sich alle einigen können. Ich finde, das ist nur verständlich, wenn man bedenkt, wie unterschiedlich die Geschichten und Lebenswege dieser ersten migrantischen Generation in Italien sind.

Da gibt es zunächst die Bezeichnung Afroitaliano. Im gleichnamigen Song von Tommy Kuti bezeichnet sich der Rapper selbst als Afro-Italiener, also als Italiener mit Wurzeln in einem afrikanischen Land oder afrikanischer Abstammung.

Manche Menschen mögen diesen Begriff nicht oder sind zumindest nicht wirklich damit zufrieden. Sie argumentieren, dass dadurch ein Land mit einem Kontinent gleichgesetzt und damit das teils unqualifizierte Narrativ genährt werde, wonach Afrika eine Nation sei und kein Gebiet mit mehr als 50 Staaten mit jeweils eigener Geschichte, Identität, Sprache und Selbstbewusstsein.

Wer diese Position vertritt bevorzugt eine Selbstbezeichnung wie Italo-Ghanaer:in, Italo-Senegales:in, Italo-Nigerianer:in usw.

Früher sprach ich von mir selbst immer als Afro-Italienerin, heute verwende ich je nach Kontext auch andere Begriffe wie Italienerin afrikanischer Abstammung oder Schwarze Italienische Frau, je nachdem, worauf ich die Aufmerksamkeit meiner Zuhörenden lenken will. Auch wenn die begrifflichen Grenzen dabei fließend sind, sollten wir uns weiterhin bemühen, die feinen Linien in der unterschiedlichen Bedeutung sichtbar zu machen – nicht um zu spalten, sondern um Räume zu schaffen, in denen sich jede Person mit ihrer eigenen Geschichte verorten kann.

Reden wir über Kosmetikprodukte: Wie schwer war oder ist es für dich, ein passendes Make-up für deinen Teint oder das richtige Haarpflegemittel zu finden?

Als Teenager war mein Blick auf die Welt des Make-ups nie vollständig, weil ich dachte, dass Foundations, Puder und Rouge für meinen Teint nicht hergestellt würden. Dann entdeckte ich, dass diese Produkte in Italien einfach nicht vermarktet werden – was vielleicht noch schlimmer ist.

Das Thema Haare hingegen ist stark verwoben mit einem komplexen kulturellen Diskurs über einen „kolonisierten“ ästhetischen Kanon, dem die Generationen vor mir noch zum Opfer gefallen sind.

Uns Töchtern rückte man mit dem Glätteisen und anderen Produkten zu Leibe und beraubte uns so unserer Naturkrause, während die Haare der Söhne gleich ganz auf Null rasiert wurden. Vor diesem Hintergrund stellen die Entwicklungen in den Jahren 2014 und 2015 in Italien eine epochale Revolution dar: Die die Darstellung und Repräsentation bestimmter ethnischer Gruppen änderte sich grundlegend und damit auch die Wahrnehmung ihrer Existenz in der Gesellschaft. Das wiederum hatte positive Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die Akzeptanz der eigenen natürlichen Schönheit.

Wie ist deine Marke NaturAngi entstanden und wie kam dir die Idee, eine Haarpflege-Akademie für (junge) Schwarze Menschen in Italien zu gründen?

NaturAngi ist ein Teil der Entwicklung, die ich eben beschrieben habe.

Wie viele andere Schwarze Mädchen meiner Generation musste ich als Kind chemische Glättungscremes benutzen, weil es hieß, unser Haar sei nicht zu bändigen – es könne nicht gekämmt werden, es breche dauernd und würde nicht richtig wachsen.

Aber irgendwann stellte ich mir die Frage, ob es wirklich keinen anderen Weg für meine Haare gibt.

Also fing ich an, mich im Internet zu informieren und nach Antworten zu suchen. Dabei stieß ich auf die Websites verschiedener Blogger aus Übersee, die längst wiederentdeckt haben, wie schön unsere natürlich krausen Haare sind. Und ich wollte wissen, WIE das ihnen gelungen war.

Nach etwa drei Monaten Recherche traf ich dann MEINE ENTSCHEIDUNG: Ich wollte die Glättungskuren, die ohnehin schon immer seltener geworden waren, endgültig sein lassen und von nun auf Naturkrause umsteigen.

Im Januar 2014 stellte ich erstaunt fest, wie einfach und unkompliziert die Pflege meiner natürlichen Haare im Vergleich zu meinen Erwartungen war. In meiner Freude darüber wollte ich meine persönlichen Erfahrungen teilen und mich mit anderen austauschen, die denselben Weg zu natürlichem Afrohaar eingeschlagen haben.

Und so startete ich meinen Blog, in dem ich über Techniken, Tipps, Erfolge und Misserfolge berichtete. Das war der Anfang meiner eigenen Marke.

Mit meiner Firma, ihren Produkten und Services will ich nicht nur über die richtige Pflege von krausem Afrohaar und Naturlocken aufklären. Mein Ziel ist dabei auch dazu beizutragen, dass das Bild der Schwarzen Frau mit Afrohaar als wichtige Botschafterin eines Schönheitskonzepts gestärkt wird, das immer inklusiver wird und in dem sich die Mädchen von heute (aber auch die von gestern und morgen) wiederfinden können.

Wir – und damit meine ich jede und jeden von uns – sind mitverantwortlich dafür, was morgen aus dem Heute wird: eine bessere oder eine schlechtere Zukunft. Für Menschen wie mich ist der mit Stolz getragene Afro eine (revolutionäre) Möglichkeit, unseren Teil dazu beizutragen.

Für mich sind Geschichten in all ihren Formen ein wichtiges Mittel, wenn es darum geht, Menschen und ihr Leben zu repräsentieren, die in der vorherrschenden Wahrnehmung der Mehrheit nicht wirklich stattfinden. Auch weil damit den jungen Generationen das Gefühl gegeben wird, Teil eines Prozesses der kulturellen Revolution und des sozialen Wandels zu sein. Ein Prozess, der auch deswegen stattfindet, weil sie selbst ihre Geschichten als Botschafter von Diversität und ästhetischen Einzigartigkeit erzählen können.

Dieses Magazin wendet sich auch an Unternehmerinnen, die Marken im Bereich Naturkosmetik oder Haarpflege in europäischen Ländern vertreiben, in denen viele Schwarze Menschen leben. Welchen Rat kannst du ihnen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, die Bedürfnisse dieser Zielgruppe besser zu verstehen und sie mit ihrer Werbung zu erreichen? 

Das ist ein weites und sehr komplexes Feld. Am Anfang steht aber ganz zweifellos Inklusion, angefangen bei der Belegschaft und in der Struktur des Unternehmens im Allgemeinen. Die Menschen hinter der Marke müssen die Menschen widerspiegeln, an die sich die Marke selbst richtet. Und wer als Person selbst divers ist, ist am besten in der Lage, die Erfahrungen der Zielgruppe so interpretieren und in eine Botschaft zu übersetzen, die wirklich anspricht und diesen Menschen die Sichtbarkeit verschafft, die sie suchen.

Solange dies nicht der Fall ist, bleibt das Ergebnis anderer Maßnahmen eher dürftig. Selbst Aktionen mit Models oder Influencern mit afrikanischer Abstammung können – wenn sie ohne ein inklusives Bewusstsein durchgeführt werden – opportunistisch wirken und dem Image einer Marke mehr schaden als alles andere.

Eine Beratung in Sachen Diversity Management ist definitiv eine gute Investition für jedes Unternehmen. Und der optimale Start, wenn eine Marke heutzutage eine Zielgruppe mit einem so spezifischen Profil erreichen will.

Über Angela:

Angy ist Unternehmerin, Small Business Coach und Spezialistin für Afro- und Curly-Haarpflege.

Sie ist die Gründerin und Geschäftsführerin von NaturAngi. Die Marke steht für den Stolz auf natürlich lockiges Haar – und ganz speziell auf Afrohaar und auf dessen Bedeutung für die Identitäten und kulturellen Werte, von denen es erzählt.

Angela leitet ihre Firma ganz allein und bietet neben Consulting auch spezielle Produkte für die Pflege von lockigem und Afrohaar an. NaturAngi entwickelt sich aus dem gleichnamigen Blog, den sie im Januar 2014 ins Leben ruft (BEST NAPPY INFO POINT IN ITALY bei den Africa Italy Excellence Awards 2015).

Sie ist die Autorin von Love is in the Hair, dem ersten in Italien veröffentlichten Ratgeber für die Pflege von natürlich gelocktem und krausem Haar.

2019 eröffnet sie ihren Onlineshop La QueeNA und lanciert NaturAngi Headwear, ihre Kollektion mit Kopfbedeckungen speziell für lockiges Haar. Im Jahr 2020 kommt die Naturkosmetiklinie CapRicci Beauty Roots auf den Markt.

Im Sommer 2021 eröffnet Angela die NaturAngi Academy in ihrer italienischen Heimatstadt Correggio. Ein Raum für Begegnungen, in dem Menschen mehr über ihr Haar lernen können, unterstützt durch professionelle und kompetente Beratung.

Mit der Academy hat sich Angy einen Traum erfüllt und einen Ort geschaffen, von dem aus sie ihre Mission verfolgen kann: Wissen über Afrohaar zu verbreiten und Menschen über die Pflege ihrer natürlichen Lockenpracht aufzuklären.

ACADEMY: https://naturangiacademy.it/

ONLINE-SHOP: https://laqueenashop.it/

Übersetzung ins Deutsche von Dragana Molnár

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